… Bundestagsabgeordnete für ihre Assistent*innen in den Abgeordnetenbüros, wie Menschen mit Behinderungen, einen Kostenbeitrag aus ihrem eigenen Einkommen zahlen müssten? Dieser Frage ging NITSA e.V. Ende Januar nach und versendete an alle 709 Abgeordneten des Deutschen Bundestags einen Fake-Bescheid. „Sie haben einen anerkannten Bundestagsteilhabebedarf mit Anspruch auf Assistenzleistungen“, heißt es in dem Bescheid mit Bundesadler im Briefkopf. „Wir werden daher ab 01.01.2020 1.660 € von Ihrer monatlichen Entschädigung einbehalten. Dies entspricht jährlich 19.920 €.“ In trockenem Bürokratendeutsch wird den Abgeordneten die Anwendung der seit 2020 gültigen Einkommensanrechnung nach dem Bundesteilhabegesetz auf deren eigene Abgeordnetenentschädigung erläutert.
Wir wissen nicht, wie viele Abgeordnete aufgebracht den Telefonhörer in die Hand genommen und die Bundestagsverwaltung angerufen haben. Aber das Gefühl, nicht fair behandelt zu werden, können wir in jedem Fall gut nachvollziehen. Lange kann jedoch die Aufregung nicht angedauert haben. Denn bereits das zweite Blatt im Anhang des Schreibens offenbarte den Abgeordneten, dass sie lediglich einem zugegebenermaßen wenig lustigen Scherz aufgesessen sind.
In dem Begleitschreiben stellt NITSA e.V. klar, dass die neue Einkommensanrechnung nicht, wie immer wieder fälschlicherweise behauptet, zu einer generellen Verbesserung für die betroffenen Menschen führt. Die nunmehr fehlende Berücksichtigung der ausgeprägten Belastungen schwerstpflegebedürftiger Menschen, sowie regionaler Unterschiede (ortsübliche Miete) und individueller Belastungen (z.B. Kosten für ein behindertengerechtes Fahrzeug), führen in aller Regel zu einem höheren Kostenbeitrag als noch bis Ende 2019.
Während wir Menschen mit Behinderungen noch immer auf eine rasche Korrektur der fehlkonstruierten neuen Einkommensanrechnung warten, wurde im November letzten Jahres mit großer Mehrheit das Angehörigen-Entlastungsgesetz im Bundestag verabschiedet. Für Angehörige von Pflegebedürftigen gilt jetzt eine Einkommensgrenze von 100.000 € Jahreseinkommen, bis zu der Angehörige vom Unterhaltsrückgriff und einem Kostenbeitrag verschont bleiben. Für Eltern volljähriger behinderter Kinder wurde der Unterhaltsrückgriff sogar vollständig aufgehoben. Und wir Menschen mit Behinderungen? Für uns gilt nach wie vor eine Einkommensgrenze von gerade einmal 32.487 €. Soll das fair sein? Wohl kaum! Daher unser Appell an alle Bundestagsabgeordneten:
Es kann keine zwei Einkommensgrenzen für das gleiche Problem geben. Diese diskriminierende Ungleichbehandlung von selbst betroffenen Menschen mit Behinderungen gegenüber Angehörigen und Eltern volljähriger behinderter Kinder muss unverzüglich abgestellt werden und für alle die Einkommensgrenze i.H.v. 100.000 € gelten, und dies solange grundsätzlich Kostenbeiträge gefordert werden.