Laut Kostenfolgeschätzung zum Bundesteilhabegesetz (BTHG, S. 5) verursacht die veränderte Anrechnung von Einkommen und Vermögen, neben den zusätzlichen Ausgaben in der Grundsicherung, die höchsten Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen. Für die Jahre 2017 – 2019 betragen diese hiernach 91 Mio. €, 95 Mio. € und 99 Mio. € und ab dem Jahr 2020 jährlich 355 Mio. €.
Die Höhe der genannten Beträge veranlasste uns, die Kostenfolgeschätzung aus dem Entwurf zum BTHG auf den Prüfstand zu stellen. Beginnend im Januar 2017 tauschten wir uns über Monate hinweg mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus, bis wir alle Berechnungsschritte zur Kostenfolgeschätzung nachvollziehen konnten. Die Berechnungen und die daraus abgeleiteten Ergebnisse stellen wir nachfolgend vor. Eine vergleichbare Detailtiefe hierzu dürfte den meisten bislang nicht begegnet sein.
Wir haben die Kalkulation in zwei Excel-Dateien vorgenommen:
Diese Dateien nutzen VBA-Makros, deren Ausführung zur korrekten Darstellung erlaubt werden muss. Da die Berechnungen sehr umfangreich sind, wurde zum besseren Verständnis der Rechenschritte ein erläuterndes PDF-Dokument verfasst.
Das BMAS bescheinigte uns per Mail die grundsätzliche Richtigkeit der Berechnungen in der BMAS-Variante. Die verbleibenden Abweichungen resultieren aus „unterschiedlichen Annahmen beim Umgang mit dem statistischen Material und unterschiedlichen Vorgehensweisen im Detail“.
Ungeachtet dessen konnten wir einen systematischen Fehler in der BMAS-Variante identifizieren: Obwohl in den Jahren 2017 – 2019 nur der Einkommenseinsatz über der Einkommensgrenze durch das BTHG verändert wurde, gingen in die BMAS-Berechnungen auch die unveränderten Anteile des Einkommenseinsatzes unterhalb der Einkommensgrenze ein. Weiterhin wurde fälschlicherweise der Wegfall von Einnahmen für Mittagessen in teilstationären WfbM angenommen. Das BTHG tangiert jedoch die zuvor genannten Einnahmen überhaupt nicht.
Diese und weitere kleinere Korrekturen wurden in der NITSA-Variante berücksichtigt, wobei das Ergebnis für sich spricht: Allein für die Jahre 2017 – 2020 wurden die
Kostenfolgen um 200 Mio. € zu hoch geschätzt.
Das entspricht rund einem Drittel der geschätzten Gesamtkosten!
Es geht dabei um vorgesehene Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung, die die Menschen mit Behinderung niemals erreichen werden. Diese Gelder werden stattdessen in den Haushalten der Länder und Gemeinden zweckentfremdet verausgabt, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Wir sind davon überzeugt, dass die Evaluation der fachlichen und finanziellen Auswirkungen des BTHG unsere Berechnungen bestätigen wird. Bereits für das Jahr 2017 werden erste Ergebnisse vorliegen.
Wir fordern, dass wirklich alle vorgesehenen Finanzmittel bei den betroffenen Menschen mit Behinderung ankommen. U.a. setzen wir uns dafür ein, dass mit diesen Mitteln die finanzielle Schlechterstellung schwerstpflegebedürftiger und blinder Menschen im neuen Recht ab 2020 aufgrund des Fehlens einer analogen Regelung zu § 87 Abs. 1 SGB XII rückgängig gemacht wird.