Dokumentation zur NITSA-Veranstaltung „Das Bundesteilhabegesetz und die Zukunft der Persönlichen Assistenz“ online

"Quo vadis? BTHG"Ende Juni folgten zahlreiche Menschen mit Assistenzbedarf, aber auch Vereine oder Organisationen, die Menschen mit Assistenzbedarf beraten oder Assistenz organisieren, der NITSA-Einladung zu einer ersten Bestandsaufnahme hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Im Rahmen der Bildungs- und Informationsveranstaltung „Das Bundesteilhabegesetz und die Zukunft der Persönlichen Assistenz“ sprachen unter anderem Marc Nellen (BMAS), Matthias Münning (BAGüS) und Dr. Harry Fuchs (Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Düsseldorf).

Zwischenzeitlich ist die Dokumentation zur Veranstaltung online auf der NITSA-Homepage abrufbar. Dort findet sich auch eine Sammlung aller Vorträge.

Bildungs- und Informationsveranstaltung: Das Bundesteilhabegesetz und die Zukunft der Persönlichen Assistenz

NITSA-Logo faviconAm 22./23. Juni 2017 lädt NITSA e.V. zu einer Bildungs- und Informationsveranstaltung zum Thema „Das Bundesteilhabegesetz und die Zukunft der Persönlichen Assistenz“ ein. Die Veranstaltung findet in den Räumen des Sozialverbands Deutschland e.V., Stralauer Straße 63, 10179 Berlin statt. Zielgruppe sind in erster Linie Menschen mit Assistenzbedarf, aber auch Vereine oder Organisationen, die Menschen mit Assistenzbedarf beraten oder Assistenz organisieren.

Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen Verena Bentele wird mit einem Grußwort die Veranstaltung eröffnen.

Ausführliche Information sowie die Möglichkeit zur Anmeldung findet man unter:
Das Bundesteilhabegesetz und die Zukunft der Assistenz

Als Referenten und Moderatoren haben zugesagt:

Marc Nellen, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Leiter der Projektgruppe „Bundesteilhabegesetz“

Matthias Münning, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe

Horst Frehe, Forum behinderter Juristinnen und Juristen

Raul Krauthausen, Berliner Autor. Aktivist

Barbara  Vieweg, Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V.

Dr. Harry Fuchs, Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Düsseldorf (Sozial- und Kulturwissenschaften), Abteilungsdirektor a.D. und freiberuflich tätiger Sozialexperte und Politikberater

Ottmar Miles-Paul, langjähriger Behindertenbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz und Organisator der Kampagne „Für ein gutes Bundesteilhabegesetz“

Erneuerter Angriff auf das anteilige Pflegegeld

faviconNun geht der Angriff auf das anteilige Pflegegeld beim Arbeitgebermodell in eine weitere Runde. Während zunächst begründet wurde, dass der § 66 durch Einführung des Bundesteilhabegesetzes geändert worden sei und die Neufassung in § 63b „übersehen“ wurde, wurde eine vollständige Anrechnung mit den Abs. 4 und 5 des § 63b begründet. Wir berichteten in zwei Blogs  (Anspruch auf pauschales Pflegegeld bleibt, Anteiliges Pflegegeld zunehmend unter Beschuss) und in kobinet.

Die Kostenträger lassen jedoch nicht locker: Nun wird der Absatz 6 des § 63b als Begründung herangezogen, um am Ziel, das Pflegegeld vollständig zu kürzen, festzuhalten. Auch hierzu erreichte uns die Information, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt.

Wir haben deshalb wieder unser NITSA-Mitglied und Kölner Juristen Carl-Wilhelm Rößler gebeten, seine Sichtweise zu dieser Rechtsauffassung darzulegen:

„Sofern von Seiten des Sozialhilfeträgers unter Berufung auf § 63b Abs. 6 SGB XII der Entzug des anteiligen Pflegegeldes aus Sozialhilfemitteln begründet wird, ist diese Rechtsauffassung unzulässig.

§ 63b Abs. 6 SGB XII enthält lediglich eine Sonderregelung für Arbeitgebermodelle dergestalt, dass diejenigen Leistungsberechtigten, die ihre Assistenz in Form eines Arbeitgebermodells organisieren, nicht auf Sachleistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI verwiesen werden können. Mit dieser Vorschrift wird das Arbeitgebermodell privilegiert und geschätzt. Die Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen der Pflegeversicherung wäre beim Arbeitgebermodell nicht möglich, weil der Pflegebetrieb im eigenen Haushalt kein ambulanter Pflegedienst im Sinne der Pflegeversicherung ist. Demzufolge erbringt die Pflegekasse für das Arbeitgebermodell lediglich Pflegegeld, die höheren Pflegesachleistungen können hingegen für ein Arbeitgebermodell nicht in Anspruch genommen werden, was für den nachrangig zuständigen Sozialhilfeträger mit höheren Kosten verbunden ist. Im Gegenzug zur Privilegierung des Arbeitgebermodells wird jedoch das Pflegegeld der Pflegekasse vollumfänglich in das Arbeitgebermodell einbezogen und somit vollständig angerechnet. Der entscheidende Gesichtspunkt ist, dass nur das Pflegegeld der Pflegekasse (!) gemäß § 63b Abs. 6 SGB XII anzurechnen ist, was dem Gesetzestext eindeutig entnommen werden kann.

Hätte der Gesetzgeber an dieser Stelle an das Pflegegeld aus Sozialhilfemitteln gedacht, hätte er den Verweis auf das Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch nicht gesetzt, sondern vom Pflegegeld nach § 64a gesprochen. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch wäre an dieser Stelle nicht erwähnt worden, denn derartige Verweise werden lediglich eingefügt, wenn auf ein externes Gesetz verwiesen werden soll.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass § 63b Abs. 6 SGB XII die Anrechenbarkeit des Pflegegeldes nur für das Pflegegeld der Pflegekasse bezieht, nicht aber auf das Pflegegeld nach den Bestimmungen der Sozialhilfe.

Diese Sichtweise erscheint auch systematisch nachvollziehbar, denn § 63b Abs. 6 SGB XII regelt den Ausschluss des Verweises auf Pflegesachleistungen der Pflegekasse und kompensiert die damit verbundenen Belastungen für die Sozialhilfe teilweise dadurch, dass das Pflegegeld der Pflegekasse im Gegenzug vollumfänglich angerechnet wird. Vom Pflegegeld der Sozialhilfe ist hier nicht die Rede!“

Auch hier empfehlen wir allen Betroffenen, bei einem entsprechenden Schreiben Widerspruch beim Kostenträger einzulegen und ggf. zu klagen, falls der Kostenträger bei seiner Rechtsauffassung  bleiben sollte.

Da der § 63b SGB XII nur 6 Absätze hat, hoffen wir, dass nun nicht zuletzt auch mangels weiterer Absätze keine weiteren Versuche mehr von seiten der Kostenträger unternommen werden, das anteilige Pflegegeld weiter in Frage zu stellen.

Anteiliges Pflegegeld zunehmend unter Beschuss

faviconNITSA e.V. hat am 30. März 2017 darauf hingewiesen (Anspruch auf pauschales Pflegegeld bleibt), dass auch nach dem Pflegestärkungsgesetz III (PSG III) weiterhin ein Anspruch auf das anteilige Pflegegeld bestehen bleibt. Es häufen sich bundesweit weiter die Mitteilungen an NITSA e.V., dass Kostenträger die Rechtsauffassung vertreten, das anteilige Pflegegeld nicht mehr zahlen zu müssen.

Neben der bereits veröffentlichten Ansicht, dass der § 66 SGB XII (altes Recht) geändert/abgeschafft worden sei, wurde nun eine Rechtsauffassung bekannt, die basierend auf dem § 63 b SGB XII (PSG III) argumentiert, dass Abs. 4 die Anrechnung des Pflegegeldes auf vorrangige Leistungen fordert und die Beschränkung der Anrechnung um 2/3 erst im Absatz 5, also danach, erfolge. Daraus wird abgeleitet, dass der Anspruch auf Pflegegeld mit Einführung des PSG III zu Jahresbeginn beim Arbeitgebermodell wegfällt.

Hierzu eine Stellungnahme unseres NITSA-Mitgliedes und Kölner Juristen Carl-Wilhelm Rößler, der bereits beim Bundesteilhabegesetz (BTHG) als Sachverständiger für das Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) an vorderster Front aktiv war:

„Entgegen der geschilderten Rechtsauffassung besteht der Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von mindestens einem Drittel auch nach Einführung des Pflegestärkungsgesetzes III fort.

Insbesondere bildet § 63b Abs. 4 S. 2 SGB XII keine taugliche Rechtsgrundlage für die künftige Verweigerung des anteiligen Pflegegeldes. § 63b SGB XII bezieht sich allein auf Szenarien eines vorübergehenden Aufenthalts in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von Personen, die ihre Pflege durch ein Arbeitgebermodell organisieren. In diesen Fällen sind vorrangige Leistungen nach dem SGB XI (!) anzurechnen.

Im vorliegenden Fall jedoch geht es nicht um den Umgang mit dem Pflegegeld nach dem SGB XI für den Fall eines Krankenhausaufenthalts durch den Assistenznehmer, sondern um die kontinuierliche Bewilligung und Auszahlung eines anteiligen Pflegegeldes nach den Bestimmungen des SGB XII. Dies wird auch deutlich gemacht durch die verschiedenen Bezeichnungen des Pflegegeldes. Während § 63b SGB XII von Pflegegeld nach den §§ 37 und 38 des Elften Buches spricht, bezieht sich § 63b Abs. 5 lediglich auf das Pflegegeld. Es ist zwingend davon auszugehen, dass insoweit das Pflegegeld nach dem SGB XII genannt ist, welches wie auch schon in der Vergangenheit, um bis zu zwei Drittel gekürzt werden kann.

Diese Rechtsauffassung wird zudem gestützt durch die Kabinettsvorlage zum Pflegestärkungsgesetz III. Einzelheiten sind Seite 95 der Vorlage zu entnehmen: Pflegestärkungsgesetz III

Aus alledem wird deutlich, dass eine Kürzung des anteiligen Pflegegeldes über die bisherigen 2/3 hinaus nicht in Betracht kommt, im Gegenteil, die geplante Vorgehensweise ist rechtswidrig und verletzt die Betroffenen in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten.“

Wer also ebenfalls von seinem Kostenträger ein Schreiben oder einen Bescheid erhält, der das Pflegegeld in Frage stellt, sollte Widerspruch einlegen und klagen, wenn der Kostenträger weiter auf seiner Rechtsauffassung besteht. Um das Ausmaß dieser bundesweiten Kampagne besser bewerten zu können, bittet NITSA e.V. um Zusendung solcher Schreiben und Bescheide.

Anspruch auf pauschales Pflegegeld bleibt

faviconAktuell häufen sich die Schreiben einiger Sozialämter und informieren über die Einstellung der Leistungen zum pauschalen Pflegegeld gemäß § 66 SGB XII, mit der Begründung, dass der § 66 durch Einführung des Bundesteilhabegesetzes geändert worden sei.

Das ist grundsätzlich richtig. Die Sachbearbeiter haben aber nicht erkannt, dass der besagte § 66 Abs. 2 Satz 2 SGB XII alte Fassung (Kürzung des sozialhilferechtlichen Pflegegeldes um höchstens 2/3) inhaltsgleich in § 63 b Abs. 5 SGB XII neue Fassung übernommen wurde, also genauso weiter gilt wie bisher.

Also nicht von den Kostenträgern ins Bockshorn jagen lassen. Der Anspruch auf Leistungen des „pauschalen Pflegegeldes“ (mindestens 1/3 des Pflegegeldes der Pflegeversicherung) gilt weiterhin, sowohl im Arbeitgebermodell als auch bei der Assistenz über einen ambulanten Dienst. Wenn derartige Schreiben ins Haus flattern, unbedingt in Widerspruch gehen und notfalls auch klagen.

Weiteres positives Urteil für Menschen mit Assistenzbedarf

NITSA-Logo faviconAm 12. September 2016 hat die 1. Kammer des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Karlsruhe einem behinderten Menschen mit Assistenzbedarf Recht zugesprochen. (Az: 1 BvR 1630/16) Das Gericht sah dessen Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsschutz gefährdet.

Der behinderte Kläger ist wegen der Folgen einer frühkindlichen Hirnschädigung auf ständige Pflege und Unterstützung angewiesen. Der Sozialhilfeträger gewährt ihm ein Persönliches Budget mit dem er in einer eigenen Wohnung wohnen und die ambulante Versorgung selbst organisieren kann, indem er Assistenzkräfte beschäftigt (im sogenannten „Arbeitgeber-/Assistenzmodell“). Das Sozialamt wollte die gestiegenen Kosten für die Assistenzkräfte nicht mehr übernehmen.

Bis zur endgültigen Klärung der inhaltlichen Frage wäre dem Betroffenen das Geld ausgegangen, er hätte Privatinsolvenz anmelden müssen und er hätte ohne notwendige Unterstützung dagestanden. Damit der Sachverhalt ohne Zeitdruck abschließend geklärt werden kann, gab das Bundesverfassungsgericht dem Mann Recht und verwies den Rechtsstreit zurück an die zuständigen Sozialgerichte.

Das ist ein richtungsweisendes Urteil dahingehend, dass behinderte Menschen mit Assistenzbedarf die ihre Versorgung über das persönliche Budget im Arbeitgeber-/Assistenzmodell sicherstellen wollen, nicht mehr bis zur rechtlichen Klärung finanziell ausgeblutet werden können/dürfen. Genau das war bisher sehr oft die Taktik von Sozialhilfeträgern, die damit einfach Kosten sparen wollen.

Lesenswerter Süddeutsche-Artikel zum Bundesteilhabegesetz

faviconVergangenen Donnerstag berichtete die Süddeutsche Zeitung in dem Artikel Bundesteilhabegesetz – Warum Behinderte gegen das Teilhabegesetz protestieren ausführlich über die Verschlechterungen für Menschen mit Behinderung, sollte der Referentenentwurf zum Bundesteilhabegesetz tatsächlich so verabschiedet werden. Mit einer bemerkenswerten Detailtiefe widerlegt der Artikel die von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales medienwirksam verbreitete Behauptung, dass das Bundesteilhabegesetz nur Vorteile für die Betroffenen mit sich bringe.

Kobinet-Interview zum Mehrkostenvorbehalt bzw. Zwangs-Poolen

Foto - Matthias GrombachDieses Jahr soll das Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen beschlossen und ab 2017 in Kraft treten. Mit diesem neuen Teilhabegesetz sind viele Hoffnungen verbunden. Es soll ein modernes Teilhabegesetz werden. Vor allem wünschen sich Menschen mit Behinderungen nicht mehr in Heimen oder ähnlichen Strukturen leben zu müssen, wo sie ihrer Selbstbestimmung und Autonomie beraubt werden. Auch eine zwangsweise Verweisung auf Leistungen in Einrichtungen darf es nicht geben. Flankiert wird dieser Wunsch durch die UN-Behindertenrechtskonvention. Welche Erfahrungen unser Vorstandsmitglied Matthias Grombach bezüglich des Mehrkostenvorbehales in der Vergangenheit mit der alten Gesetzeslage machen musste und wie im Gegensatz dazu ein modernes Teilhabegesetz aussehen sollte, erzählte er Ottmar Miles-Paul im Kobinet-Interview.

Auswertung Online Umfrage des bbe e.V. – Situation bei der Beantragung von Elternassistenz

faviconDer Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern bbe e. V. hat im Februar 2015 eine Online Umfrage zum Thema Elternassistenz durchgeführt. Die Umfrage lief vom 06.02. bis 23.02.2015 und wurde überwiegend über die Kundenadressen des bbe e.V., über ihnen bekannte Assistenzdienste und über mehrere Facebook-Seiten sowie über kobinet-Nachrichten und auch auf www.nitsa-ev.de beworben.

Diese Umfrage ist nicht repräsentativ, aber sie gibt einen ersten Einblick in die derzeitige Nutzung von Elternassistenz in der Bundesrepublik Deutschland. Es haben insgesamt 50 Familien bei der Umfrage mitgewirkt. Hier geht es zur Auswertung der Online Umfrage

 

NITSA e.V. veröffentlicht 2 weitere Fallbeispiele von Menschen mit Assistenzbedarf

faviconNITSA e.V. veröffentlicht 2 weitere Fallbeispiele: Annett Melzer (ein zweites, selbstbestimmtes Leben) und Heike Schmidt (selbstständig ausgeübte Tätigkeit und geltendes Sozialrecht sind inkompatibel), zur Lebenssituation behinderter Menschen mit Assistenzbedarf.