Lesenswerter Süddeutsche-Artikel zum Bundesteilhabegesetz

faviconVergangenen Donnerstag berichtete die Süddeutsche Zeitung in dem Artikel Bundesteilhabegesetz – Warum Behinderte gegen das Teilhabegesetz protestieren ausführlich über die Verschlechterungen für Menschen mit Behinderung, sollte der Referentenentwurf zum Bundesteilhabegesetz tatsächlich so verabschiedet werden. Mit einer bemerkenswerten Detailtiefe widerlegt der Artikel die von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales medienwirksam verbreitete Behauptung, dass das Bundesteilhabegesetz nur Vorteile für die Betroffenen mit sich bringe.

Offener Brief an die behindertenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag

In einer Pressemitteilung vom Freitag 03. Juni 2016 kündigen die behinderten-politischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Uwe Schummer (MdB) und Karl Schiewerling (MdB) mit dem Bundesteilhabegesetz einen Richtungswechsel an.

In der Tat stellen die in der Pressemitteilung geäußerten Aussagen einen deutlichen Fortschritt dar, der nach den Diskussionen der letzten Wochen so nicht zu erwarten war. Nach all der Kritik ist es jetzt deshalb auch an der Zeit, dass wir uns lobend zu diesem Richtungswechsel äußern.

Wir wenden uns deshalb in einem offenen Brief an die behindertenpolitischen Sprecher und bedanken uns für diese nicht erwartete Entwicklung, jedoch nicht ohne auf die noch offenen Punkte hinzuweisen. Da die schwierigsten Punkte jetzt weggeräumt wurden, sind wir positiv gestimmt, dass die verbleibenden Kritikpunkte auch noch im Sinne einer vollen und wirksamen Teilhabe gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft gelöst werden.

Pressemitteilung der CDU/CSU vom 03. Juni 2016

Offener Brief von NITSA e.V. an Uwe Schummer (MdB) und Karl Schiewerling (MdB)

Jens Merkel protestiert angekettet mit anderen Menschen mit Behinderung am Berliner Spreeufer

Bild: angekettete Behindertenaktivisten am Reichstagsufer in Berlin ©privat

NITSA-Vorstandsmitglied Jens Merkel kämpfte mit vielen Kollegen in Berlin für Barrierefreiheit und ein gutes Bundesteilhabegesetz (BTHG).

Kurz nach seiner Rückkehr aus Berlin, wo sich Jens Merkel solidarisch mit etwa 40 anderen Rollstuhlfahrern und vielen anderen Aktivisten der Behindertenbewegung am Reichstagsufer ca. 15 Stunden angekettet hat, gab er folgende Stellungnahme:

„Am heutigen 12.05.2016 wurde im Bundestag die Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) des Bundes verabschiedet. Mit dieser Novellierung hat es die Bundesregierung verpasst, ein modernes und vermutlich verfassungskonformes Gesetz zu verabschieden. Auch wenn einige Regelungen positiv zu bewerten sind, hat die Bundesregierung den Knackpunkt eben nicht im Gesetz verankert. Die Privatwirtschaft wird wieder nicht verpflichtet, Barrierefreiheit zu schaffen. Damit können nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern z.B. auch Rollator-nutzer und/oder Mütter/Väter mit Kinderwagen sich eben nicht darauf verlassen, in Kinos, Gaststätten oder Geschäfte zu kommen. Ebenso ist das online einkaufen für Menschen mit Behinderungen, aufgrund des Mangels an Barrierefreiheit von Internetseiten, kaum möglich. Die Regelungen im BGG sollen nur für Bundesbehörden und für Landesbehörden, wenn sie Bundesrecht umsetzen, gelten.“

Viele Menschen mit Behinderungen haben wie auch Jens Merkel, es einfach satt, sich von der Politik einlullen zu lassen. Darum haben sich all diese Menschen, um deren Rechte es geht, sich am Berliner Reichstagsufer gegenüber den Grundgesetztafeln angekettet, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Ein weiterer Punkt, wogegen sich die Aktion richtete, war die Vorlage des Referentenentwurfes der Bundesregierung für ein Bundesteilhabegesetz. Wenn dieser Gesetzentwurf im Herbst gar verabschieden werden sollte, drohen massive Verschlechterungen im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage. U.a. droht vielen behinderten Menschen mit Assistenzbedarf die Abschiebung in ein Heim und weiterhin die Verarmung. Jens Merkel, der auch auf Assistenz angewiesen ist, betont, dass es hoffentlich mit dieser Aktion gelungen ist, dass der Heilige Geist in die Köpfe der Politikerinnen und Politiker geschossen ist und sie endlich begreifen, dass es um nicht mehr und nicht weniger als um Menschenrechte geht.

Alle Aktionen in dieser Zeit können Sie in den neuen Medien unter dem Motto: #NichtmeinGesetz verfolgen. Bitte unterstützen Sie uns zahlreich.

KOMMT ALLE MIT NACH BERLIN – Demo am 4. Mai 2016

Foto Protesttag Berlin demonstrierende MenschenDieses Jahr ist ein sehr entscheidendes Jahr! Ein modernes Teilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen soll verabschiedet werden und Verbesserungen mit sich bringen. So die Theorie. Denn die Vorboten verheißen nichts Gutes. So kann es wohl auch zu Verschlechterungen kommen.

Dagegen müssen wir kämpfen und besonders laut werden!

Kommt alle zahlreich nach Berlin, bringt Familie, Freunde und Bekannte mit, damit die diesjährige Demo ein mehr als eindrucksvolles Bild abgeben kann! Wir müssen den Politikern unbedingt zeigen, dass sie uns nicht ignorieren können und wir für unsere Rechte, für ein selbstbestimmtes Leben und gleichberechtigte Teilhabe, kämpfen und auf die Straße gehen!!!

Wir holen Dich am 3. Mai ab und bringen Dich danach wieder zurück!

Es gibt schon viele die nach Berlin zur Demo wollen. Deshalb melden Sie sich schnellstmöglich an, solange es noch freie Plätze gibt!

Weitere Infos und das Anmeldeformular

 

Mangelnde Sachlichkeit des LVR

faviconAm 29.02.2016 referierte Franz Dillmann (Leiter der Abteilung Recht im Dezernat Soziales des Landschaftsverbands Rheinland) auf dem 25. Reha-Wissenschaftlichen Kolloquium in Aachen zum Bundesteilhabegesetz. In seinem Kurzkommentar führte Herr Dillmann aus, dass Teilhabeansprüche überdehnt würden und bezeichnete dies als „Samariterdilemma“. Ebenso halte er die Freistellung von Einkommen und Vermögen für zu großzügig. In den zugehörigen Thesen ist unter Bezug auf die UN-BRK zu erfahren: „Prioritäres Ziel muss ein menschenwürdiges (gutes) Leben sein, das wegen bestehender fehlender Fähigkeiten auch teils ein ‚ungleiches’ sein kann.“

NITSA e.V. mahnt in einem Schreiben an Herrn Dillmann mehr Sachlichkeit in der Diskussion um das Bundesteilhabegesetz an. Es sei abwegig, von „zu großzügigen Freistellungen“ zu sprechen, wenn erwiesenermaßen der Arbeitsentwurf zum Bundesteilhabegesetz (Stand 18.12.2015) gravierende Verschlechterungen u.a. bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen mit sich bringe. Die UN-BRK garantiere nicht nur ein „menschenwürdiges Leben“, sondern den gleichen Lebensstandard.

Teilhabe statt Täuschung – Brief an die Bundestagsabgeordneten

Der seit einem Monat im Umlauf befindliche (unvollständige) Arbeitsentwurf zu einem Bundesteilhabegesetz (BTHG) hinterlässt zunehmend den Eindruck, dass es Zeit wird, Schlimmeres zu verhüten und diejenigen über den aktuellen Stand zu informieren, die auch in Kürze darüber zu entscheiden haben – die Mitglieder des deutschen Bundestages.

Statt Verbesserungen – so scheint es – müssen Betroffene zum Teil massive Verschlechterungen befürchten. Dabei werden in der Einleitung des Arbeitsentwurfes Verbesserungen beschrieben, die sich in den nachfolgenden Paragraphen nicht wiederfinden.

Auch Äußerungen aus dem verantwortlichen Ministerium, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) lassen aufhorchen und unterstreichen eher die Befürchtung, dass es nicht Ziel ist, die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) vollständig umzusetzen.

Täuschen wir uns, werden wir enttäuscht oder gar getäuscht? Diese Frage bitten wir die Bundestagsabgeordneten in Diskussion mit den beteiligten Akteuren zu klären.

Brief an die Bundestagsabgeordneten

Kobinet-Interview zum Mehrkostenvorbehalt bzw. Zwangs-Poolen

Foto - Matthias GrombachDieses Jahr soll das Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen beschlossen und ab 2017 in Kraft treten. Mit diesem neuen Teilhabegesetz sind viele Hoffnungen verbunden. Es soll ein modernes Teilhabegesetz werden. Vor allem wünschen sich Menschen mit Behinderungen nicht mehr in Heimen oder ähnlichen Strukturen leben zu müssen, wo sie ihrer Selbstbestimmung und Autonomie beraubt werden. Auch eine zwangsweise Verweisung auf Leistungen in Einrichtungen darf es nicht geben. Flankiert wird dieser Wunsch durch die UN-Behindertenrechtskonvention. Welche Erfahrungen unser Vorstandsmitglied Matthias Grombach bezüglich des Mehrkostenvorbehales in der Vergangenheit mit der alten Gesetzeslage machen musste und wie im Gegensatz dazu ein modernes Teilhabegesetz aussehen sollte, erzählte er Ottmar Miles-Paul im Kobinet-Interview.