Stellungnahme zur zweiten Staatenprüfung Deutschlands durch den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung bzgl. der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

faviconHier: Artikel 28 – Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz

Am 29. und 30. August 2023 fand die zweite Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung (CRPD) in Genf statt. Am 3. Oktober veröffentlichte der CRPD seine endgültigen abschließenden Bemerkungen zum aktuellen Stand der Umsetzung.

Hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen und Vermögen in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen attestiert der CRPD Deutschland ein mangelhaftes Ergebnis (S. 13, aus dem Englischen übersetzt):

Der Ausschuss ist besorgt darüber,

[…]

(c) dass das Leistungssystem der Eingliederungshilfe durch die Berücksichtigung des Vermögens und Einkommens von Menschen mit Behinderungen und anderen Haushaltsangehörigen das gleichberechtigte Sparen mit anderen behindert und die finanzielle Sicherheit älterer Menschen gefährdet.

Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat:

[…]

(c) Die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen so zu überarbeiten, dass sie gleichberechtigt mit anderen sparen können und ihre finanzielle Sicherheit im Alter gewährleistet wird.

Die finanziellen Auswirkungen der vollständigen Abschaffung der Einkommens- und Vermögensanrechnung sind abschließend untersucht worden. Zudem betrifft die Anrechnung nur noch 3% der Eingliederungshilfeberechtigten (siehe Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung bzgl. Stand und Ergebnisse der Maßnahmen nach Artikel 25 Absatz 2 bis 4 des Bundesteilhabegesetzes). Daher fordern wir die unverzügliche Abschaffung der Einkommens- und Vermögensheranziehung.

Link zur PDF-Version der Stellungnahme: PDF-Dokument

Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung bzgl. Stand und Ergebnisse der Maßnahmen nach Artikel 25 Absatz 2 bis 4 des Bundesteilhabegesetzes

faviconDie Bundesregierung veröffentlichte Ende des Jahres 2022 den lange erwarteten Bericht bzgl. Stand und Ergebnisse der Maßnahmen nach Artikel 25 Absatz 2 bis 4 des Bundesteilhabegesetzes (Drucksache 20/5150).

Das Netzwerk für Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung und Assistenz (NITSA e.V.) hat den darin enthaltenen Abschlussbericht der Kienbaum Consultants International GmbH zur wissenschaftlichen Untersuchung der modellhaften Erprobung der Verfahren und Leistungen nach Artikel 1 Teil 2 des Bundesteilhabegesetzes vom 29. Dezember 2016 einschließlich ihrer Bezüge zu anderen Leistungen der sozialen Sicherung ausgewertet und zum Regelungsbereich „Einkommens- und Vermögensheranziehung“ eine Stellungnahme verfasst:

Link zur Langfassung der Stellungnahme: PDF-Dokument

Kurzfassung

Der Abschlussbericht der Kienbaum Consultants International GmbH zeigt, dass die reformierte Anrechnung von Einkommen und Vermögen zu einem starken Rückgang von Leistungsberechtigten mit Einkommenseinsatz geführt hat. Von ursprünglich 74 % der Eingliederungshilfeempfänger sind es nunmehr nur noch 3 %. Gleichzeitig sank der durchschnittliche monatliche Einkommenseinsatz auf ein Viertel von 342 € auf 86 €. Durch die Anrechnung von Einkommen wird folglich nur noch 1% der ursprünglichen Summe eingenommen.

Ebenso wenig stieg die Zahl der Leistungsberechtigten, im Gegenteil. Trotz angehobener Einkommens- und Vermögensfreigrenzen sank sogar die Zahl der Leistungsberechtigten in den Jahren 2019 und 2020. Der durch die Kostenträger prognostizierte Anstieg der Leistungsberechtigten hat sich nicht bewahrheitet.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es keinen einzigen Sachgrund für die Beibehaltung der Einkommens- und Vermögensheranziehung im SGB IX gibt. Die Einnahmen aus der Einkommensanrechnung sind nur noch marginal und stellen für das verbleibende Prozent der Zahlungspflichtigen eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung dar. Nicht einmal das Argument des Anstiegs der Leistungsberechtigten verfängt. Daher fordern wir die unverzügliche Abschaffung der Einkommens- und Vermögensheranziehung, zumal diese, wie der Abschlussbericht zeigt, Personen im Erwerbsalter mit ambulantem Hilfebedarf und hohen „besonderen Belastungen“ gegenüber dem alten Recht schlechter stellt.

Weiterer BTHG-Giftzahn gezogen – Wurzelbehandlung dennoch notwendig

faviconHeute wurden alle unsere Fragen zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) auf der offiziellen Seite der BTHG-Umsetzungsbegleitung beantwortet.

Antworten zu den Fragen aus dem Bereich der Einkommens- und Vermögensanrechnung

  • Frage #1000: Vermögensanrechnung ohne Härtefallregelung
  • Frage #1001: Einkommenseinbußen durch fehlende Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse
  • Frage #1002: Einkommenseinbußen durch fehlende Regelung
  • Frage #1003: Bestandsschutz lückenhaft

Antwort zur Frage bzgl. des Zwangspoolens

  • Frage #1004: Zwangspoolen im ambulanten Bereich

Antwort zur Frage bzgl. Budgetverordnung

  • Frage #1006: Budgetverordnung außer Kraft

Neben der bereits angekündigten Wiedereinführung der Härtefallregelung bei der Vermögensanrechnung (siehe Frage #1000 und NITSA-Nachricht „Erster BTHG-Giftzahn gezogen“) stellt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seiner Antwort bzgl. der Budgetverordnung klar, dass Budgets nach wie vor zu Monatsbeginn ausgezahlt werden müssen, und nicht, wie neuerdings von manchen Leistungsträgern praktiziert, zum Monatsende. Wir danken für diese Klarstellung.

Dennoch sind viele Antworten unbefriedigend. So wird beispielsweise mit der Antwort zur Frage „Einkommenseinbußen durch fehlende Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse“ deutlich, dass „die Festsetzung der Grenzen, ab der ein Beitrag aufzubringen ist, unter Beachtung der bisherigen durchschnittlichen Einkommenssituation und der durchschnittlichen Ausgaben der Leistungsbezieher erfolgte.“ Es ist folglich nicht überraschend, dass viele Leistungsberechtigte, die diesem Durchschnitt nicht genügen, durch die neue Einkommensanrechnung schlechter gestellt werden. Weiterhin wird deutlich, dass Menschen mit Behinderungen nur untereinander verglichen werden. Das durchschnittliche Einkommen aller Erwerbstätigen spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle, ebenso wenig die Frage, warum Menschen mit Behinderungen bestenfalls durchschnittlich verdienen dürfen, um einer Einkommensanrechnung zu entgehen.

Daher wird sich das BTHG einer weiteren schmerzhaften Wurzelbehandlung unterziehen müssen. Wir bleiben dran!

Dem BTHG die Giftzähne ziehen

faviconAuch 2019 werden wir alles unternehmen, um dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) die größten Giftzähne zu ziehen. Es kann nicht sein, dass man uns mit dem BTHG eine verbesserte Teilhabe verspricht und dann hinter den Regelungen des alten Rechts zurückbleibt. Konkrete Missstände müssen öffentlich werde, um so politisch Verantwortliche zum Handeln zu zwingen.

Aus diesem Grund haben wir Fragen zu Verschlechterungen z.B. aus dem Bereich des Zwangspoolens und der Einkommens- und Vermögensanrechnung formuliert, die wir auf der offiziellen Seite der BTHG-Umsetzungsbegleitung eingestellt haben. Träger des Projekts zur Umsetzungsbegleitung ist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Bitte helft uns mit je einem Klick auf den Button „BEITRAG UNTERSTÜTZEN“ neben den einzelnen Fragen (Beitrag #1000 bis #1004 und #1006) und verleiht dadurch unserem Anliegen den nötigen Nachdruck.

Solltet Ihr Fragen und Kritik zum BTHG haben, so nutzt diese Plattform und dokumentiert damit öffentlich die zahlreichen Probleme. Das BTHG ist noch eine große Baustelle, an der dringend gearbeitet werden muss.